Herrmann-Allmers-Gesellschaft e.V.

Allmers' Werke

Die Literaturwissenschaft tut sich schwer mit der Generation von Schriftstellern, die Hermann Allmers schätzte und zu der er selber zählte. Wie ihre gleichaltrigen Kollegen auf dem Gebiet der bildenden Künste so fügen sich auch Emanuel Geibel (* 1815), Friedrich Bodenstedt (* 1819), Julius Grosse (* 1828) und Paul Heyse (* 1830) nicht dem wissenschaftlichen Fortschrittsparadigma und so werden ihre Werke heute häufig abgetan als formalistisch oder zu ihrer Zeit schon veraltet.

Häufig werden diese Künstler auch als „Epigonengeneration“ angesprochen. Die Furcht, diese Generation zu unterschätzen, wurde allerdings schon von dem Literaturkritiker und -historiker Hermann Bahr geäußert. In Erinnerung an Allmers, den er Mitte der 1880er Jahre in Berlin getroffen hatte, schrieb er 1923:

Auf mich … wirkte das Erlebnis seiner reinen Gestalt so stark nach, daß ich mich zu fragen begann, ob wir nicht gegen die Generation vor uns ungerecht waren. Geibel, Heyse, Roquette, auch Scheffel, ...gar aber Lingg, Greif, Hamerling ödeten uns so gräßlich an, daß wir uns mit der Erklärung aushalfen, vielleicht sei dieses Zeitalter überhaupt schon der Dichtung entwachsen. Daran nun aber durch Zola, Ibsen und Holz doch wieder irre geworden und der Dichtung wieder freundlicher gestimmt, kam ich beim Anblick des herrlichen Allmers, der in Person ein viel größerer Dichter war, als seine Gedichte vermuten ließen, auf den Gedanken, ob der Irrtum der Generation vor uns nicht vielleicht darin lag, daß ihre Künstler ihre Schaffenskraft unmittelbar ins Leben verströmen ließen, statt sie ganz fürs Werk aufzusparen, … So dämmerte mir damals ein zu jener Zeit dem Deutschen fast verlorener Begriff auf, der Begriff des ringenden, sich für sein Werk aufopfernden, auf sein Leben verzichtenden mönchischen Künstlers, dem die Kunst zur Zwangsarbeit, ... ja zu wahrer Besessenheit wird, ein Begriff, der mir freilich erst in Paris am erhabenen Beispiel Flauberts aus blasser Ahnung zu verpflichtender Gewißheit werden sollte.“

Eine Auswahl Allmersscher Gedichte folgt hier:

"An mein altes Plaid" >>>

Allmers mit Plaid, 1859 in Italien
Allmers mit Plaid, 1859 in Italien

Daß du dahin bist, altes, treues Plaid,
Ich kann's nicht sagen, wie so nah mir's geht.

Warst meiner schönsten Wanderzeit Genoß,
Da dein Geweb' mich freundlich noch umfloß.
[...]
Du warst sogar, gab's lust'ge Mummerei,
Als Toga oder Kutte gleich dabei.
Ich denk an alles das mein Leben lang,
Mein treues Plaid, hab' Dank dafür, hab' Dank.

„Der originellste von Papas auswärtigen Freunden war Hermann Allmers. [...] Überall, wo er, gehüllt in sein vorsintflutliches Plaid, dem er ein reizendes Gedicht gewidmet hatte, erschien, erregte Allmers das größte Aufsehen. Denn nicht nur seine Böcklinsche Erscheinung fiel auf, die wirkte wie ein Stück noch nicht Mensch gewordene Materie, sondern vor allem die Leidenschaftlichkeit, mit der er überall, wo er ging und stand, in den seltsamen Tönen seiner gaumenlosen Sprache reich mit Gesten illustrierte Erlebnisse vorführte." (Elisabeth Haeckel)


"In den Trümmern der Klosterkirche zu Hude" >>>

Postkartengruß aus Hude an Hermann Allmers, den Wiederentdecker der Klosterruine
Postkartengruß aus Hude an Hermann Allmers, den Wiederentdecker der Klosterruine

Zu den vergessenen historischen Stätten, denen Allmers zur gebührenden öffentlichen Aufmerksamkeit verhalf, gehört neben der Rudelsburg auch die Ruine des ehemaligen Zisterzienserklosters von Hude i. O. Zusätzlich zu dem Gedicht veröffentlichte er 1856 im 'Deutschen Kunstblatt' den Aufsatz 'Die Ruinen der Cisterzienserabtei Hude im Großherzogtum Oldenburg'. Der Oldenburger Archivar Georg Sello erklärte in seiner 1895 erschienenen Geschichte des Klosters, dass Allmers ihn zu seiner Studie angeregt habe. 

Sind auch ohne Dach die Reste
Dieser mächtigen Abtei,
Buchenlaub und Tannenäste
Sorgen, daß es schattig sei

Wallen keine Weihrauchwolken
Vom Altare durch die Luft,
Hauchen doch die alten Fichten
Ihren würz'gen Waldesduft.

Meßgeläut und Mönchschoräle
Schwiegen in den Mauern lang;
Dafür dringt aus frischer Kehle
Lust'ger Vöglein Waldgesang.

Sonnenlicht und Wolkenschatten
Spielen wechselnd ums Gestein,
Und von oben strahlt der blaue
Himmel durch's Gezweig herein.

Hoch auf Mauern, tief im Grunde,
Hier im Schiffe, dort im Chor
Ringt ein reiches Pflanzenleben
Freudig sich zum Licht empor;

Und ein selig stilles Träumen
Ist's im eingeschloßnen Grün,
Wo aus alten heil'gen Räumen
Wieder junge Lieder blühn.


"Auf der Rudelsburg" >>>

Mit ihren Liedern machten Allmers und der Berliner Kunsthistoriker Franz Kugler ("An der Saale hellem Strande") die Rudelsburg zwischen Jena und Naumburg an der Saale zum viel besungenen Ort der Burgenromantik und der Studentenherrlichkeit.  

Dort Saaleck, hier die Rudelsburg,
Und unten tief im Tale,
Da rauschet zwischen Felsen durch
Die alte, liebe Saale.
Und Berge hier und Berge dort,
Zur Rechten und zur Linken;
Die Rudelsburg, das ist ein Ort
Zum Schwärmen und zum Trinken.

O Vaterland, wie bist du schön
Mit deinen Saatenfeldern,
Mit deinen Tälern, deinen Höhn
Und all den stolzen Wäldern!
O Vaterland, drum wollen wir
Dir unsre Lieder singen,
Vor allem hier bei kräft'gem Bier
Ein kräftig Hoch dir bringen.

Das wissen die Studenten auch
In Jena und in Halle,
Wir trinken dort nach altem Brauch
Im Hof und auf dem Walle.
Umringt von moosigem Gestein,
Wie klingen unsre Lieder!
Die Saale rauscht so freudig drein,
Die Berge hallen wieder.

Wie tönet das ins Tal hinein
Vom Felsen hoch hernieder!
Die Saale rauscht so freudig drein,
Die Berge hallen wieder.
Die Berge hier, die Berge dort,
Zur Rechten und zur Linken;
Die Rudelsburg, das ist ein Ort
Zum Schwärmen und zum Trinken.


"Feldeinsamkeit" >>>

Ich ruhe still im hohen, grünen Gras
Und sende lange meinen Blick nach oben,
Von Grillen rings umschwirrt ohn' Unterlaß,
Von Himmelsbläue wundersam umwoben.

Die schönen weißen Wolken ziehn dahin
Durch's tiefe Blau, wie schöne stille Träume; -
Mir ist, als ob ich längst gestorben bin,
Und ziehe selig mit durch ew'ge Räume.

Am 1. September 1852 entstanden die Verse, die durch Johannes Brahms' Vertonung als Inbegriff des deutschen Kunstliedes zu Weltruhm gelangten. Vermutlich nach 1879 komponiert wurde das Lied 1881 in Strassburg uraufgeführt. Die Urschrift schenkte Brahms dem Dichter zu dessen 75. Geburtstag im Februar 1896.


"Das Ave Maria im Gebirge" >>>

Die Sonne sinkt, die hohen Alpen stehen
In lauter Licht und Duft und Gold und Glut;
Still ruht der See mit seiner grünen Flut,
Still wird's, als sollt' ein Wunder nun geschehen.

Und tiefes, schönes Kirchenglockenklingen
Durchzittert nun das goldumfloss'ne Tal
Und mahnt, beim letzten Abendsonnenstrahl
Der Mutter Gottes einen Gruß zu bringen.

Und alles betet rings mit stillem Neigen
Zu dir, Maria, Himmelskönigin. -
So schwindet leis der letzte Strahl dahin,
Die letzten Glocken klingen aus und schweigen.


"Römische Schlendertage" >>>

Im Herbst 1858 brach Allmers zu seiner größten Reise auf. Sie führte ihn für 15 Monate nach Italien. In Rom versammelte er einen geselligen Kreis deutscher Künstler, der sich täglich in einem Café an der Piazza Colonna traf und sich daher 'Colonna-Gesellschaft' nannte. Die Colonna-Gesellschaft war der letzte der vielen deutschen Künstlerbünde in Rom. In diesem Kreis knüpfte Allmers mehrere lebenslange Freundschaften.

Die literarische Essenz seiner italienischen Reise veröffentlichte Allmers 1868 unter dem Titel Römische Schlendertage. Dieses literarische Skizzenbuch erschien in zwölf Auflagen und wurde - nach Goethes Italienischer Reise - das verbreitetste Italienbuch in deutscher Sprache. Ein weiterer Nachklang von Allmers' Aufenthalt in Italien war der Römische Wandkalender deutscher Nation, der von Allmers herausgegeben und mit Beiträgen von Paul Heyse u. a. versehen von 1884 bis 1895 in Rom erschien.